DE/EN

John Miller

29.08.–15.11.2009

Die Ausstellung des 1954 geborenen, in New York und Berlin lebenden amerikanischen Künstlers, Musikers und Kritikers John Miller gibt einen umfassenden Einblick in ein Werk, das sich seit den 1980er Jahren mit analytischer Präzision, vielgestaltigem Humor und visueller Eindringlichkeit zu gesellschaftlichen und künstlerischen Identifikations- und Repräsentationsmodellen formuliert. Die Ausstellung bietet mit über 45 Gemälden, Skulpturen und Installationen, einer digitalisierten Diashow mit mehr als 1'500 Fotografien und Videoarbeiten einen Überblick über das Werk des Künstlers von 1983 bis heute.
Nach einer Einzelausstellung im Le Magazin in Grenoble 1999 und der Präsentation einer Auswahl seiner Middle of the Day-Fotografien 2004 im Musée d’Art Moderne et Contemporaine in Genf ist dies die erste gross angelegte Übersichtsausstellung. Sie gibt einen umfassenden Einblick in den Kosmos eines Künstlers, der neben Zeitgenossen und Studienkollegen wie Mike Kelley und Jim Shaw, aber auch Tony Oursler und Stephen Prina eine einzigartige künstlerische Position einnimmt.

Am Abend der Eröffnung, Freitag, 28. August, ab 23 Uhr, gibt der Künstler mit seiner Musikformation XXX Macarena, zusammen mit der deutschen Künstlerin Jutta Koether und der amerikanischen Experimentalfilmlegende Tony Conrad ein Konzert. Am Samstag, 29. August, ab 13 Uhr, findet die erste Veranstaltung im Rahmen von «In Other Words» mit einer Performance von Marcus Coates und einer Paneldiskussion mit John Miller, Claire Fontaine, Jutta Koether, Falke Pisano und Vertretern der Kooperationspartner Kunsthalle Zürich sowie Peep-Hole, Mailand, statt.

Einem grösseren Publikum wurde John Miller in den 1990er Jahren mit Arbeiten im „Signatur-John-Miller-Braun“ – einem assoziationsreichen, dreckigen Braunton – bekannt. Der Künstler überzog Reliefs, bestehend aus gefundenen Objekten, Skulpturen, Schaufensterpuppen und Spiegel mit einer dicken pastosen, braunen Farbschicht. Dieser folgte in den letzten Jahren Blattgold als allgegenwärtige Oberfläche seines Werks.

Postkonzeptuelle Strategien und die Minimal Art mimikrierend und gleichzeitig kritisch untergrabend, arbeitet der Künstler konsequent in Serien, die einen Konflikt zwischen den Erkennungszeichen künstlerischer Produktionsmodelle, formalästhetischer Konstrukte sowie den ausufernden psychischen Erscheinungsformen vorherrschender Wertesysteme und alltäglicher Dinge produzieren. In den 1980er Jahren malte Miller figurative Gemälde, die die Tradition der amerikanischen Westküstenmalerei mit Motiven der Gegenwart hybridisieren; in den 1990er Jahren entstanden Gemälde und Installationen zu den global präsenten Spiel-Shows des Fernsehens; ab Ende der 1990er Jahre kombinierte er Text und Bild in Fotografien, Installationen und Videos zum Phänomen der Kontaktanzeigen in Zeitschriften, Magazinen und dem Internet. Wiederkehrend seit den 1980er Jahren finden sich Mannequins in seiner Arbeit – Abbilder der standardisierten menschlichen Figur, die ebenso Objekt der Fetisch- und Konsumkultur unserer Gegenwart sind, wie unser Verhältnis zu den Begehrlichkeiten der Realität selbst.
Seit 1994 realisiert der Künstler ein auf den ersten Blick banales konzeptuelles Fotografie-Langzeit-Projekt mit dem Titel Middle of the Day. Wo auch immer John Miller sich gerade befindet, fotografiert er pünktlich zur Mittagszeit: auf der Strasse, beim Zugfahren, auf dem Land, im Restaurant, im eigenen Heim... Die Fotografien umfassen das gesamte Repertoire kunstgeschichtlicher Abbildungsgenres vom Porträt, Stillleben über die Landschaftsfotografie bis hin zur bissigen Sozialstudie. Sie transportieren unaufgeregt und unerbittlich Fragen zur Position des Künstlers in den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen, zu unserem Verhältnis zu Freizeit und Arbeit, zu sozialer Ungleichheit, Ökologie, Konsumverhalten, inhaltlicher Verarmung, zu privaten und öffentlichen Verhaltensmustern und vielem mehr.

Verunreinigte Minimal- und Konzeptkunst sozusagen, wie auch in den vereinheitlichenden braunen und goldenen Materialreliefs, Skulpturen und überbordenden Miniaturlandschaften des Künstlers, die die endlosen Alltäglichkeiten menschlicher Tätigkeiten, menschlicher Bedürfnisse und menschlichen Verlangens im Freudschen Sinne als Ersatzobjekte (Exkremente, Geld und Gold) und in einer am Marx’schem Verständnis angelehnten Theorie der Waren des Alltags als Fetische des Individuums sichtbar werden lassen.

John Millers Arbeiten reiben sich lustvoll an den ideologischen Apparaten der Gesellschaft wie der Kunst. Eigens für die Ausstellung in der Kunsthalle Zürich hat er eine neue, gross angelegte Rauminstallation entwickelt: An archäologische Fundstätten mahnende, mit zahlreichen gefundenen Trash-Objekten belagerte Architekturfragmente sind überzogen mit dem aktuellen „John-Miller-Gold“ und tauchen das Publikum in eine opulente Ruine des Begehrens unserer Konsumgesellschaft und der Kunst ein.

Die Kunsthalle Zürich dankt: Präsidialdepartement der Stadt Zürich, LUMA Stiftung, Icon Art Services, Lissabon